Mein Tod gehört mir!?

 

Ein Hospizabend zur Sterbehilfe

 

Von Karl-Günter Balzer

 

Auf dem Podium Bischof Prof. Dr. Martin Hein (v.l.n.r.), Helga Liedtke, Dr. Markus Schimmelpfennig, Prof. Dr. Volker Lipp, Dr. Nina-Kristin Eulitz (alle Fotos: Karl-Günter Balzer)
Auf dem Podium Bischof Prof. Dr. Martin Hein (v.l.n.r.), Helga Liedtke, Dr. Markus Schimmelpfennig, Prof. Dr. Volker Lipp, Dr. Nina-Kristin Eulitz (alle Fotos: Karl-Günter Balzer)

Korbach. Der Tod, oder eher die Frage, wie gestorben wird, ist ein Thema, das die Menschen bewegt. Der große Saal im Bürgerhaus Korbach war bis auf den letzen Platz gefüllt, Stühle wurden herbeigeschleppt, um allen Interessierten eine Sitzmöglichkeit anbieten zu können. Der Ökumenische Verein Ambulantes Hospiz Korbach hatte am Mittwoch (20.04.) zur Podiumsdiskussion eingeladen. Bewegende Fragen wurden angesprochen: „Was ist, wenn ich unheilbar krank werde? – Darf ich über mein Lebensende selbst entscheiden? – Was sagen Mediziner? – Wie ist die Rechtslage? – Welche ethischen Entscheidungen sind zu treffen und auf welcher Grundlage?“

Ganz bewusst hatte die christliche Hospizinitiative Prof. Dr. Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, um das Impulsreferat gebeten. Hein, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, stellte den Abschieds- und Gemeinschaftsgedanken in den Mittelpunkt seines Nachdenkens. Zum guten Sterben gehöre es, gut loslassen zu können. Bewusstes Abschiednehmen und die Suche nach Versöhnung sei hilfreich für alle. Der Bischof verwies auf die christliche Hoffnung. So wie die Geburt aus der Enge des Mutterleibes in die Weite des irdischen Lebens führe, so führe der Tod aus der Enge dieses Lebens in eine größere himmlische Weite.

 

Damit konnte Helga Liedtke, Kontaktstellenleiterin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) nichts anfangen. „Es muss das Recht auf einen humanen, selbstbestimmten Tod in Deutschland geben“, fordert sie ganz diesseitig. Was damit gemeint war, blieb in ihren Ausführungen leider etwas schwammig. Liedtke war zunächst damit beschäftigt, zu sagen, was die DGHS nicht sei: „Wir sind kein kommerzieller Sterbehilfeverein.“ Aber im Einklang mit der Bevölkerung wünsche man sich eine Wahlfreiheit, wie das Leben enden soll. Dabei erhielt nach Liedtkes Ansicht der Arzt abwechselnd den Auftrag, beim Suizid zu helfen, oder zu beraten oder wegzuschauen. Eindeutiger war Liedtke mit ihrer Forderung nach einer frühzeitigen Patientenverfügung, der sich alle Diskutanten anschlossen.

 

„Der Wunsch sterben zu wollen, ist mit Vorsicht zu befragen und nicht einfach wörtlich zu nehmen“, erläuterte Dr. med. Nina-Kristin Eulitz. Häufig bedeute der Wunsch, nicht mehr leben zu wollen, nicht mehr unter unerträglichen Umständen leben zu müssen. Die Palliativmedizinerin wies im Einklang mit einem Votum aus dem Publikum darauf hin, dass die Umstände unter denen Menschen sterben müssen, manchmal nur schwer auszuhalten seien. Und dann fragte sie: „Wieso reden wir ständig über den assistierten Suizid und kaum darüber, wie Umstände geschaffen werden, unter denen würdevoll gestorben werden kann.“  An dieser Stelle, und nur an dieser Stelle, kam durch kräftigen Beifall die Zustimmung des Publikums zum Ausdruck.

 

Da das Thema der Sterbehilfe trotz dieses Einwurfs das dominierende Thema des Abends blieb, war es sehr hilfreich, dass Prof. Dr. Volker Lipp, Jurist an der Universität Göttingen, immer wieder für Klärungen sorgte. So stellte er klar, dass kein Außenstehender das Recht habe, zu entscheiden, wie Menschen zu leben und sterben hätten. Daraus folgerte er, dass niemand verpflichtet sei, lebensverlängernde Maßnahmen zu ertragen oder für eine versuchte Selbsttötung bestraft werden dürfe. Eine Hilfe zur Selbsttötung sei möglich und straffrei, wenn sie dem freien Willen des Sterbewilligen entspreche. Allerdings müsse dies die einmalige Ausnahme sein. Eine geschäftsmäßige Sterbehilfe sei nicht möglich. Lipp führte aus, dass damit aber keineswegs im Juristendeutsch alleine kommerziell gemeint sei, sondern auch eine wiederholte Sterbehilfe ausgeschlossen werde.

 

Allen Podiumsteilnehmern ist zu danken, dass sie diesem Abend zu einem sachlichen und zugleich persönlichen Gespräch verhalfen. Keineswegs wurde nur über das Sterben der anderen gesprochen, sondern immer wieder wurde darüber Auskunft gegeben, wie man sich seinen eigenen Tod wünsche und vorstelle. Vom Moderator Dr. Markus Schimmelpfennig hätte man sich noch die eine oder andere kritische und klärende Rückfrage insbesondere an Helga Liethke gewünscht. Aber die humorvolle, sachliche und weiterführende Gesprächsführung des stellvertretenden Leiters des Gesundheitsamtes der Region Kassel, machte den Abend zu einem informativen Erlebnis. (21.04.2016)