Einfühlsames Zuhören und sensibler Beistand


Zum Umgang mit traumatisierten Menschen in Krisensituationen


Von Karl-Günter Balzer

Dipl. psych. Dr. Georg Pieper (Foto: Karl-Günter Balzer)
Dipl. psych. Dr. Georg Pieper (Foto: Karl-Günter Balzer)

Marburg. Der Absturz der German-Wings-Maschine in den Französischen Alpen hat die Menschen bewegt. Als dann bekannt wurde, dass der Copilot die Maschine absichtliche gegen einen Berg flog, war das Entsetzen groß. Wer kann in solch einer Situation den Angehörigen helfen, damit auch nur ansatzweise zurecht zu kommen? Und was kann gesagt und getan werden. Die Pfarrer und Pfarrerinnen des Sprengels Waldeck und Marburg setzten sich in einer Konferenz  am Mittwoch (17.06.) mit der Notfallseelsorge in solch traumatischen Situationen auseinander.


Es sind aber nicht nur diesen aufsehenerregenden Katastrophen, die in den Medien eine große, manchmal vielleicht zu große, Aufmerksamkeit genießen. Ein schrecklicher Unfall, der Tod eines geliebten Menschen, vielleicht eines Kindes, stellen das Leben auf den Kopf und stürzen Menschen in eine Situation, die nicht mehr auszuhalten ist. Pfarrer sind häufig erste Gesprächspartner in solchen Momenten. Helmut Wöllenstein, Propst des Sprengels Waldeck und Marburg, hatte mit Dr. Georg Pieper, einen fachkundigen Referenten in das Gebäude der Evangelischen Studierendengemeinde und des Religionspädagogischen Instituts eingeladen.


Der Diplom-Psychologe und Leiter des Instituts für Traumabewältigung in Friebertshausen beschäftigt sich schon seit den 80er Jahren mit diesem Thema. Er wurde bereits bei dem Grubenunglück in Borken-Stolzenbach hinzugezogen. Sein Rat war gefragt beim Flugzeugunglück in Ramstein, beim ICE-Unfall in Eschede, beim Amoklauf in Erfurt und eben zuletzt bei der German-Wings-Katastrophe. Erstaunt darüber, dass es in Deutschland mit den vielen traumatisierten Menschen nach den Weltkriegen kaum Forschungsansätze zu diesem Traumabewältigung gab, hatte er sich intensiv diesem Thema gewidmet. Er ist anerkannt und wird immer wieder als Sachverständiger, Helfer und Ausbilder angefragt.


„Es wird schon wieder! Alles  wird gut! Wie konntest Du nur! Gottes Wege sind uns verborgen! Es hätte schlimmer kommen können! Wie fühlst du dich jetzt?“ – solche und ähnliche Sätze kommen Menschen, die helfen wollen, schnell über die Lippen. Es ist gut gemeint, aber es schadet mehr als es nutzt. Im Gegenteil: Traumatisierte Menschen fühlen sich dadurch nicht ernst genommen und werden noch tiefer in ihr Leid gestoßen. Pieper lehnt therapeutische Fragen, Vertröstungen, schonende Worte, Bagatellisierungen, psychologischen Deutungen in der Situation unmittelbar nach dem Unglück ab. Für die Therapie ist später Zeit und Möglichkeit.


Jetzt gelte es, den Menschen in seinem Leid einfach so wahrzunehmen, wie er ist. Zuhören ist gefragt. Ehrliche Informationen sind nötig. Einfachste Hilfestellungen wie das Angebot einer Decke. Mit ruhigen Gesten und einer ruhigen Sprache dem Leidenden zur Seite stehe ohne sich aufzudrängen. Den Menschen ernst nehmen auch wenn die Äußerungen schwer auszuhalten sind.  Und einfach das Leid mitleiden im Wissen, dass Leid nicht weggenommen werden kann, darauf kommt es Pieper an.

Eine lebhafte Diskussion schloss sich an, in der Pieper auch deutlich machte, wie wichtig ihm das Gebet und das Vertrauen in Gott für seine Arbeit ist. Die Reaktionen auf den Vortrag waren überaus positiv. „Das war ein Vortrag, der für die Praxis etwas gebracht hat“, fasste Pfarrer Jörn Rimbach aus Bad Wildungen die Zustimmung der Konferenz  zusammen. Weitere Informationen unter www.traumabewaeltigung.de. (17.06.2015)

Bildgalerie (zum Vergrößern bitte Anklicken); alle Fotos Karl-Günter Balzer